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G20-Drohung: Warum Erdogan nicht vom Klimaschutz abrücken wird

Solarwärmeanlagen in der Türkei.

Der G20-Gipfel in Hamburg war kaum vorbei, da drohte Türkeis Präsident Erdogan damit, das Pariser Klimaschutzabkommen nicht zu ratifizieren. Die Drohung sollten wir ignorieren, die Türkei hat gar keine andere Wahl als auf erneuerbare Energien zu setzen.

Ich glaube persönlich nicht daran, dass Erdogan viel auf den Klimawandel gibt, in seiner Welt spielen momentan ganz andere Dinge eine wichtige Rolle. Dennoch wird er kaum umhin kommen, erneuerbare Energien und Energieeffizienz in der Türkei auszubauen. Den diese sind ein wichtiges Machtinstrument für einen Staat, dessen Energieversorgung momentan im Wesentlichen von Russland abhängt. Das Land importiert den größten Teil seiner Energie aus dem Ausland und zahlt dafür über 50 Mrd. Euro im Jahr. Vor allem Erdgas aus Russland spielt dabei eine große Rolle.

Diese Abhängigkeit von Russland war auch einer der Gründe, warum Erdogan nach dem Abschuss des russischen Kampfjets im Jahr 2015 so schnell bei Putin zu Kreuze gekrochen ist. Es ist also kein Wunder, das in der Türkei inzwischen ein aktiver Markt für erneuerbare Energien entstanden ist, der sich auch längst nicht nur auf den Stromsektor begrenzt. So gibt es in der Türkei einige große Hersteller von Solarthermieanlagen, die ihre Anlagen inzwischen auch erfolgreich in andere Länder exportieren.

Das alles gab es in der Türkei auch schon lange vor dem Pariser Klimaabkommen, aus der reinen Notwendigkeit heraus die eigene Energieversorgung zu sichern. Allein zwischen 2013 und 2015 stieg der Anteil Erneuerbarer Energien am türkischen Energiemix von 2,2 auf 5,5 Millionen Tonnen Öläquivalent.

Selbst wenn Erdogan Paris nicht ratifizieren sollte, will er sein Land aus der russischen Abhängigkeit befreien, bleibt ihm garnichts anderes als auf erneuerbare Energien zu setzen. Denn heimische Ressourcen an fossilen Energien sind in der Türkei rar oder dank Nachbarschaftsstreitigkeiten mit Griechenland oder Zypern nicht so einfach anzuzapfen.

Unsere Energieabhängigkeit steigt

Erneuerbare Energien sollen in erster Linie den Klimawandel bremsen. Nebenbei verringern sie aber auch die Abhängigkeit von Energieimporten, wodurch sie zu einem geopolitischen Machtinstrument werden können. Die europäische Statistikbehörde Eurostat hat nun die Energieabhängigkeit der EU der Jahre 1990 bis 2014 ausgewertet.

Und obwohl Europa seit 1990 seinen Energieverbrauch m 4 % reduziert hat und obwohl überall in Europa Solar- und Windenergie produziert wird, die Abhängigkeit von Energieimporten ist im Vergleich zu 1990 gestiegen und verharrt nun auf hohem Niveau.

Energieabhängigkeit 1990

Allerdings entwickeln sich die EU-Länder teilweise sehr unterschiedlich. Deutschland etwa gehört zu den Ländern, die ihre Abhängigkeit von Energieimporten sogar vergrößert haben, obwohl der Anteil erneuerbarer Energien vergleichsweise hoch liegt, zumindest beim Strom.

Deutschlands Energieabhängigkeit steigt

Basierte Deutschlands Energieversorgung 1990 noch zu 46,5 % auf Importen, liegt sie seit 2008 aber konstant über 60 % und damit sogar über dem EU-Durchschnitt. Dabei ist der Verbrauch von Mineralöl, Braun- und Steinkohle sogar gesunken, was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch wirkt. Allerdings sinkt die heimische Förderung von fossilen Energieträgern schneller als der Verbrauch.

Energieabhängigkeit 2014
Besonders Deutschland, Österreich und Länder in Südeuropa sind von Energieimporten abhängig.

Das ist zum Beispiel beim Öl so. Haben wir 1991 noch ca. 88 Mio. Tonnen Rohöl nach Deutschland importiert, waren es 2013 mit 90 Mio. Tonnen sogar etwas mehr. Noch deutlicher fällt dies beim Erdgas auf. Auch hier sinkt die heimische Produktion beständig, der Verbrauch ist aber sogar gestiegen. In Folge haben sich die Importe aus dem Ausland von 1991 bis heute um ca. 86 % erhöht.

Ohne Erneuerbare ständen wir noch schlechter da

Erneuerbare Energien und die gesteigerte Energieeffizienz haben die Importabhängigkeit zwar gebremst, um sie zu reduzieren, war ihr Ausbau bisher aber viel zu langsam. Unter anderem deswegen, weil wir bisher nur beim Strom einen signifikanten Anteil an erneuerbaren Energien haben. Beim Verkehr und der Wärme sieht es dagegen ziemlich mau aus.

Änderung der Energieabhängigeit 1990 bis 2014
Die rot gefärbten Länder sind heutzutage abhängiger von Energieimporten als Anfang der neunziger Jahre. Besonders schlecht hat sich Großbritannien entwickelt, aber auch Deustchland steht nicht gut dar.

Noch krasser fällt dieser Effekt in solchen Ländern aus, die weniger Erneuerbare Energien aufgebaut haben oder stärker unter dem Versiegen heimischer Öl- und Gasressourcen zu leiden haben. Besonders deutlich wird das etwa im Vereinigten Königreich, bei dem beide Effekte zugleich auftreten. War das Land um die Jahrtausendwende noch Nettoexporteur von Energie, muss seinen Bedarf inzwischen zu 45 % aus dem Ausland beziehen. Sowohl die Erdgas als auch die Ölförderung befindet sich dort im freien Fall.

Positives Beispiel: Biomasse und Wärmewende

Andere Länder wiederum haben ihre Abhängigkeit von Energieimporten deutlich reduziert. So etwa in Estland. Das Land steht heute deutlich unabhängiger dar, als noch vor 25 Jahren. Einen großen Anteil daran trägt die Biomasse. Gewann das Land 1990 noch ca. 2 % seiner Primärenergie aus Biomasse, waren es 2013 schon über 14 %.

Dabei wird die Biomasse vor allem zur Wärmeversorgung eingesetzt und ist damit ein gutes Beispiel dafür, dass es sich lohnt, nicht nur auf den Stromsektor zu schauen, wie es in den meisten EU-Staaten üblich ist. Nur so kann die Energieabhängigkeit wirklich sinken.